Der Gebäudekomplex des Gutshofes Plungė wurde dank dem Fürsten Michaił Ogiński in der zweiten Hälfte des 19. Jh. bekannt und ist heute einer der am besten erhaltenen in Litauen. Das Herrenhaus, als Versailles Niederlitauens bezeichnet, ist von einem Park umgeben, der die ganze Schönheit der litauischen Landschaft enthüllt. Der Gutshof hat eine reiche Geschichte. Die bedeutendsten Spuren hinterließ Mikalojus Konstantinas Čiurlionis, der in der Musikschule des Gutshofes einst studierte.

Beschreibung

Den Gutshof Plungė erwarb Michaił Ogiński von der Grafenfamilie Zubovai im Jahre 1873. In demselben Jahr begann er mit der Umgestaltung und den Bauarbeiten. Innerhalb von sechs Jahren wurde Plungė von einem im Stil der Neurenaissance gebauten Schwan geziert. Im Fundament des Herrenhauses wurde eine Flasche mit einer Botschaft in drei Sprachen eingemauert – auf Latein, Litauisch und Polnisch. So symbolisch finanzierte der Fürsten in Plungė und in dem von Zaren besetzten Litauen erneut die westliche Zivilisation und den Litauischen Staat.

Im Mittelpunkt der Planung des Gutshofes stand das Herrenhaus im Stil der Neurenaissance, das vom deutschen Architekten Karl Lorenz entworfen wurde. 1879 wurde das Herrenhaus feierlich eingeweiht. 

Der Gründer und der Pfleger des Landgutes Michał Kleofas Ogiński (1765–1833) war zwei Mal verheiratet. Seine erste Frau hieß Isabell Lasocka, die zweite – Maria de Neri. Mit seiner ersten Gemahlin hatte er zwei Söhne, mit der zweiten drei Tochter und einen Sohn. 1802 beendete M.K. Ogiński seine erste Ehe mit Isabell Lasocka und heiratete die Witwe des niederlitauischen Adligen Kajeton Nagurski aus Kurtuvėnai, die Sängerin Maria de Neri, die aus Venedig stammte. Nach dem Völkerkongress 1815 verlor M.K. Ogiński die Hoffnung, den Litauischen Staat wiederaufzubauen. Um 1822 übertrug er sein Vermögen an seine Frau Maria de Neri und seine Kinder übertragen und siedelte nach Italien über, wo er auch starb.

Es ist kein Zufall, dass M.K. Ogiński die Pferderasse Žemaitukai bewahrt hat – das Symbol der heftigen Kämpfe gegen die Kreuzritter. Diese Pferderasse ist vor 5000 Jahren zusammen mit den Baltischen Stämmen in Litauen aufgetaucht und zum Symbol unserer Stärke und Siege geworden. Im 19. Jh. waren die Žemaitukai vom Aussterben bedroht. Mit der verlorenen staatlichen Unabhängigkeit hörte auch die Armee auf zu existieren und damit auch der Bedarf an Pferden für den Kampf. Der Fürst M.K. Ogiński hat das Gestüt der Žemaitukai wiederaufgebaut und auf diese Weise die Pferderasse bewahrt. Damit festigte er die Erinnerung an die Zeiten des siegreichen litauischen Staates.

Das Herrenhaus Plungė ist ein beeindruckendes zweistöckiges Backsteingebäude mit vier erhöhten, an den Ecken erbauten Risaliten. Die Fassaden der Risaliten zieren Skulpturen, was übrigens selten in der Architektur der litauischen Herrenhäuser vorkommt. Heutzutage befinden sich auf dem Gelände des Gutshofes neun Bauten: die linke und die rechte Offizin, Gestüt, das Anwalt- und Hausmeisterhaus, die Wäscherei, das Parktor, das Wachhaus, der Uhrturm und der Wintergarten. In beiden Offizingebäude waren vorher Büro und Schule. Auf dem Gestüt wurden Pferde gehalten, die Kutschen aufbewahrt, dort wohnten auch die Gutsbediensteten, die die Pferde pflegten. Im mittleren Teil des Gebäudes gab es eine Reitarena.

Das ästhetische Äußere des Landgutes wirkt erfreulich, aber das Innere ist noch bewunderungswerter. Das Interieur, wie auch das Exterieur, ist voll von Dekorelementen. Diverse Stuckarbeiten, Kollektionsmöbel, beeindruckende Öfen, prachtvolle Schmuckelemente, vergoldete Gemälderahmen – dies ist nur ein Teil der Elemente, die uns begreifen lassen, wie luxuriös eine der berühmtesten Adelsfamilien Litauens – die Fürstenfamilie Ogiński, damals im 19. Jh. lebte. Nicht alle Gutsbesitzer gründeten unbedingt ein Orchester. Aber für Aristokraten war die Musik ein Muss. Selbstverständlich haben die reichsten und bekanntesten eigene Orchestren gehabt. Seien es Symphonie- oder Kammerorchester – alles hing vom Bedarf und von den finanziellen Möglichkeiten der Adligen ab. Die neue romantische Musik des 19. Jahrhunderts erforderte ein ganzes Orchester. Also sind beide Brüder dem Ruf der Gene ihres Großvaters, des weltweit berühmten Autors der romantischen Polonaise, Michał Kleofas Ogiński, gefolgt haben und Symphonieorchester besessen. Nachdem M.K. Ogiński Maria Skurzewska, die ehemalige Hofdame des Kaisers von Österreich, heiratete, erhielt der Gutshof auch Elemente des Geschmacks der Habsburger. Er hat damals mit seiner Gattin ganz Westeuropa bereist und sich die Musik der berühmtesten Musiker seiner Zeit angehört. Das beeinflusste selbstverständlich die Orchester des Herrenhauses und die gesamte musikalische Kultur des Gutshofes. Die Orchester der Herrenhäuser in Plungė haben damals die Stücke der berühmtesten zeitgenössischen Komponisten (z.B. besonders schwierige Partituren von Richard Wagner) und alle bis dahin verfassten Musikstücke gespielt, einschließlich der berühmten Wiener Klassiker wie J. Haydn und W.A. Mozart.

Der Fürst Michał Ogiński und seine Gemahlin Maria nutzten das Haupttor des Parks, das im Pseudo-Renaissance-Stil gestaltet wurde, um das Landgut mit der Pferdekutsche zu erreichen. Das repräsentative Tor demonstrierte auch die niederlitauische Identität und litauische Stärke. Das niederlitauische Symbol des „Bären“ und die litauischen Soldaten aus dem 16. Jh., die mehrmals ruhmreich viel größere Armeen des russischen Zaren bekämpft haben, harmonieren miteinander.   

Heutzutage hat an diesem Tor das Tourismus-Informationszentrum von Plungė seinen Sitz. Neben dem Tor steht ein Wachhäuschen. In den Zeiten der Ogińskis saß hier der Wachmann, der den Park beobachtete, das Tor öffnete und schloss.

Einer bekannten Legende zufolge war der Park des Gutshof Plungė im 18. Jh. der Anfang einer heidnischen Kultstätte. Bis zum heutigen Tag wächst im Park eine der ältesten und größten Eichen in Litauen – die Perkūnas Eiche, und um sie herum ist die Luft durchsetzt von der Sehnsucht der in einen Soldaten verliebten Hexe Galinda. Der zentrale Teil des Parks liegt auf einer hohen und ebenen, geometrisch geplanten Terrasse. Der andere Teil ist malerischer, umgibt das Flussbett und die Quellen des Babrungas und hat zwei Niederungen – die östliche und die westliche. In der westlichen Niederung gibt es vier Teiche, in der östlichen – drei. Die Hauptallee beginnt am südöstlichen Tor und endet am Herrenhaus, daneben gibt es eine geräumige Terrasse mit Blick auf die Tiefe des Parkes und auf den Fluss. Vor dem Herrenhaus wurde ein rundförmiger Teich ausgehoben, in dessen Mitte sich eine Insel mit einer Statue von Venus und Amor befindet. 

Im Park des Gutshofes steht noch ein älteres Gebäude – der Wintergarten des Uhrturmes, auf dessen Fundamentstein ein Datum vermerkt ist – 1846. Das wäre das älteste Gebäude in Plungė. Der Uhrturm ist eine Miniaturausgabe des Palazzo Vecchio in Florenz. Die Uhr im Turm hat nur einen Zeiger und eine Glocke, die jede Stunde schlägt.  

Der im Park von Plungė stehende und im Stil der Romantik erbaute Uhrturm ist eine neugotische kleine Burg mit einem 12 m hohen Turm, in dem eine aus allen vier Richtungen sichtbare Uhr eingesetzt ist. Der Uhrturm wird auch als litauisches Taj Mahal bezeichnet, weil der Verwalter Nikolay Zubov sie zur Erinnerung an seine verstorbene Gattin Alexandra gebaut hat. Heute befindet sich im Uhrturm eine Bibliothek, in der Entspannung und Inspiration garantiert sind.