Bei einem Spaziergang im Zentrum von Vilnius lohnt es sich, den Radziwiłł-Palast zu besuchen. In diesem Palast wohnten in der Vergangenheit Vertreter einer der berühmtesten litauischen Adelsfamilien Radziwiłł. Sie waren die einflussreichste Familie des Großfürstentums Litauen, deren riesiger Nachlass des Kulturerbes heutzutage geschützt, gepflegt und von Touristen besucht wird. Ihr Kulturweg hat in ganz Litauen Spuren hinterlassen: Es gab keinen Winkel, in den die prominenten Familienvertreter nicht vorgedrungen wären.

Beschreibung

Dieser Palast ist eine der wichtigsten Kulturerbestätten der Familie Radziwiłł. Seine Gesamtfläche beträgt heute etwa 3 ha, außerdem befindet sich der Palast im Herzen von Vilnius. 

Historische Quellen weisen darauf hin, dass im 16. Jh. an der Stelle des heutigen Palastes, der damals „Didžiosios Lukiškės“ (dt. „Groß-Lukiškės“) genannt wurde, in einem parkähnlichen Garten hinter der Stadtmauer in der Nähe des Vilija-Tores der Palast von Nikolaus Radziwiłł dem Schwarzen stand. Mitte des 17. Jh. baute sich Janusz Radziwiłł (1612–1655), Großhetman Litauens und Wojewode von Vilnius, nach dem Entwurf des Architekten Jon Ulrich eine Residenz. 

Der Palast im Stil des Frühbarocks wurde nach dem Beispiel des Pariser Palais du Luxembourg gebaut, hatte fünf dreistöckige Pavillons und wunderschöne Säle. Der U-förmige Palast besaß Züge der Renaissance und manieristische Dekorationen, bestand aus vier zweistöckigen Gebäuden, die von Ecke zu Ecke durch fünf dreistöckige Pavillons verbunden waren. Der Innenhof von der südwestlichen Seite wurde durch eine Mauer und zwei Tore abgegrenzt. Die Abbildung dieses Palastes war auf die Medaille des deutschen Medaillemeisters Sebastian Dadler (1586–1657) zum Anlass der Inauguration von Janusz Radziwiłł, des Woiwoden von Vilnius im Jahr 1653 geprägt. 17. Jh hat der Maler Vytautas Gabriūnas (1930–1992) den Palast in seinen Aquarellen verewigt.

Der Krieg hat am Palast auch seine Spuren hinterlassen. Das Ensemble wurde im 17 Jh. durch die vom Krieg verursachten Brände beschädigt, deswegen beschloss Dominik Radziwiłł, ein weiterer Vertreter der Familie, im 19. Jh., den Palast der damaligen Wohltätigkeitsgesellschaft zu übergeben. Der Palast wurde von dieser Gesellschaft bis 1940 genutzt. Während dieser Zeit wurden die zerstörten Bauten entweder abgerissen, oder neu aufgebaut. 

1967 wurde mit der Restaurierung des Palastes begonnen. Bis in die Gegenwart sind nur zwei Gebäude des Palastes erhalten worden – der Nord- und Ostkorpus sowie ein Pavillon des Nordkorpus. 1984 wurde auch der zweite, westliche Pavillon wiederaufgebaut.  

Bis heute ist die linke Seite des Palastes erhalten, in der 1990 eine Niederlassung des litauischen Kunstmuseums gegründet wurde.

Nikolais Radziwiłł der Schwarze ist wurde am 4. Februar 1515 in der Familie des Kastellans von Trakai und Marschalls des Großfürstentums Litauen Jan Radziwiłł und seiner zweiten Frau Ona Kiškaitė in Nesvyžius (heute Njaswisch) geboren. Im Alter von sieben Jahren verlor er seinen Vater, und nachdem seine Mutter 1528 die zweite Ehe mit Stanislovas Kęsgaila einging, wurde er zusammen mit seinem Bruder und seinen Schwestern in die Obhut des Onkel Georg Radziwiłł, des Kastellans von Vilnius, übergeben. 

Der schnelle politische Aufstieg Radziwiłłs des Schwarzen ist auf die enge Freundschaft mit dem fünf Jahre jüngeren Sigismund Augustus, Sohn des Königs Sigismund des Älteren und Bona Sforza zurückzuführen. Radziwiłł der Schwarze war der Hauptvertreter einer Adelsgruppe des Großfürstentums Litauen, die mit der stagnierenden Regierung vom Sigismund dem Älteren unzufrieden war und die Übergabe der Herrschaft an den jungen König initiierte. 1544 hat das litauische Parlament (Seimas) in Brasta mit einem Akt ie Übergabe der Regierung des Landes an den 25-jährigen Sigismund Augustus bestätigt. Der Beschluss bedeutete den Anfang der Übernahme der wichtigsten staatlichen Positionen durch die Verwandten und Unterstützer von Radziwiłł. Also wurde Radziwiłł der Schwarze zum einflussreichsten Politiker des Staates und zum treuen Freund des Herrschers des Großfürstentums Litauen bis zu seinem Tode. Und es ist ihm eindeutig gelungen, die Spitzenposition etwa 20 Jahre zu erhalten und die Anerkennung seiner Zeitgenossen zu erlangen. In dieser Periode hat Litauen den Weg in Richtung der Kulturreformen genommen und eine radikale neue kulturelle Identität geschaffen.      

Der Ablauf der Reformen war mehr spontan und situationsbezogen als konsistent, zielgerichtet und strategisch durchdacht. Das könnte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass Litauen im 16. Jh. über nahezu keine Erfahrung im Kulturbereich verfügte. Das intellektuelle Bildungsnetz befand sich noch in der Entstehungsphase. Die römische Kirche in Litauen, die in der damaligen Zeit mit den Herausforderungen der Reformation zurechtzukommen hatte, nahm den Weg der radikalen Opposition, statt einen Dialog mit den Evangelikalen zu führen. Die Hauptwaffe der römischen Kirche war „Tradition“ und „Sitten der Eltern“, und alle Unterstützer der Reformen wurden laut Husovian hysterisch als „unheilvolle Innovatoren“ bezeichnet, die das Land ins Verderben führen. 

Nikolaus Radziwiłł der Schwarze war der erste litauische Adlige, der die römisch-katholische Kirche scharf kritisierte. Als er an der Spitze der politischen Elite stand, ist es ihm gelungen, die Anhänger der Reformation zusammenzubringen und mit Reformen zu beginnen, ungeachtet des großen Widerstandes des Hl. Stuhls und der traditionellen kirchlichen Ideale der Menschen.

1545-1548 spielte Radziwiłł der Schwarze eine besonders wichtige Rolle im Landesleben. Seine Tätigkeit, begleitet von Todesfällen und Hochzeiten, änderte das politische Gesicht Litauens. Am 15. Juni 1545, nach dem Tod von Königin Elisabeth, begann sich die Geschichte von König Sigismund Augustus und Königin Barbara Radziwiłł rasch zu entfalten und endete 1547 mit einer geheimen Ehe. Ab 1545 wurde Radziwiłł der Schwarze zu einer Hauptfigur – sowohl bei der Abwicklung von Finanzverträgen mit dem Kaiserhof (eine Reise nach Wien 1547) als auch bei der Legalisierung der königlichen Ehe. Im Februar 1548 heiratete Radziwiłł der Schwarze letztendlich in Sandomir Elžbieta Šidlovecka und brachte sie im März desselben Jahres als Gemahlin nach Vilnius, wo den beiden 1549 der erste Sohn Nikolaus (Beiname: der Waise) geboren wurde. Am 1. April 1548 starb Sigismund Augustus, und so musste Radziwiłł der Schwarze gleich nach der Hochzeit mit dessen Tod zusammenhängende politische Probleme lösen. Dank der Tätigkeit von Radziwiłł dem Schwarzen in den Jahren 1548-1549, wurde Sigismund Augustus als polnischer Monarch anerkannt, und der mächtige Widerstand gegen die Krönung von Barbara Radziwiłł wurde überwunden. 

Das protestantische Leben des Nikolaus Radziwiłł des Schwarzen, das etwa fünfzehn Jahre bis zu seinem Tode dauerte, veränderte die Situation der Kultur und des christlichen Bewusstseins im Großfürstentum Litauen. Er gründete die unabhängige reformierte Kirche, legte den Grundstein für die Geschichte der litauischen Presse und des Buchdrucks in Brasta (1553), wo er die erste litauische Bibel veröffentlichte, an deren Herausgabe 15 Übersetzer und Redakteure beteiligt waren und in der die unabhängige evangelische Doktrin begründet und geformt wurde. Dank Radziwiłł dem Schwarzen begann Litauen zum ersten Mal in der Geschichte des kulturellen Selbstbewusstseins den gleichberechtigten religiösen Dialog mit den berühmtesten Denkern des Westens.  

Die ersten öffentlich zur Schau gestellten Zeichen der protestantischen Identität von Radziwiłł dem Schwarzen waren die evangelischen Gottesdienste auf seinen Landgütern in Vilnius (Lukiškės) und in Brasta im Jahr 1553 sowie die Produktion der ersten Druckerei Litauen mit lateinischen Lettern, die auch nach seinem Tode bis 1568 in Betrieb war. Auf seinem Grundbesitz begann er mit der Enteignung der katholischen Kirchen für die Bedürfnisse der Evangelikalen, und das erste separate Gebäude der evangelischen Kirche entstand 1560-1562 in Vilnius auf der Didžioji-Straße. 1562 wurde in dieser protestantischen Kapelle seine Gattin Elisabeth begraben. Später, dem letzten Willen im Testament von 1565 folgend, fand hier auch Radziwiłł der Schwarze seine letzte Ruhestätte (im 17. Jh. wurden die sterblichen Überreste nach Dubingiai überführt und erneut beigesetzt).