Varniai ist das Herz Niederlitauens. Vor 600 Jahren wurde die niederlitauische Diözese gegründet, das Seminar von Varniai war in Betrieb, der niederlitauische Bischof Motiejus Valančius ermahnte zur Nüchternheit, und im Städtchen versammelten sich berühmte Persönlichkeiten aus Kultur, Kunst und Geistlichkeit. Heutzutage versammelt die wunderschöne im Stil des Spätbarocks erbaute Kirche der Hl. Apostel Peter und Paul in Varniai viele Gläubige aus der Gegend.

Beschreibung

Man hält Telšiai für Hauptstadt Niederlitauens, obwohl Medininkai (heutige Varniai) historisch immer das Zentrum des samogitischen Landes war. Das Land Medininkai war stets das Ziel der Kreuzritter – viele Kreuzzüge führten dorthin und die Niederlitauer mussten sich zur Wehr setzen.

Die erste Kathedrale von Varniai, deren Bau 1421 begonnen wurde, hat laut der archäologischen Ausgrabungen keine Spuren hinterlassen. Der neu ernannte Bischof von Medininkai, Jurgis Vilnietis (1453–1464), hat mit der Unterstützung des Großfürsten Litauens Kazimieras 1463 eine neue Kathedrale aus Holz gebaut und ihr den Namen der Hl. Peter und Paul zugeteilt. Die Kathedrale von Varniai entstand am anderen Flussufer, das Medininkai genannt wurde, genau an der Stelle wo heute das Gebäude des ehemaligen Priesterseminars steht. Der Woiewode von Vilnius, Mikalojus Radvila, hat 1519 an dieser Stelle begonnen, eine Steinkathedrale zu mauern, die 1680 während des Stadtbrandes vernichtet wurde. In jedem Jahrhundert gab es regelmäßig Brände, aber dank den Gründern gelang es immer, die Gebäude wiederaufzubauen. 

Die Kathedrale von Varniai, die heutige Pfarrei-Kirche der Hl. Peter und Paul, wurde 1691 erbaut. Der Bau der damaligen Kathedrale wurde vom niederlitauischen Bischof Kazimieras Pacas, dem berühmten Vertreter einer Adelsdynastie des Großfürstentums Litauen aus dem 17. Jh., finanziell unterstützt. Das Gebäude des litauischen Spätbarocks hat einige Brände überstanden. Nur das Innere der Kirche fiel den Flammen zum Opfer, das Gebäude selbst aber wurde nicht wesentlich beschädigt.

Von außen sieht man der Kirche an, dass sie kreuzförmig ist, drei Schiffe und zwei Kapellen hat. Sie besitzt auch zwei Türme, von denen einer der Glockenturm ist. Im Glockenturm hängt eine Glocke mit einer Reliefabbildung des Hl. Kasimir, die 1786 in der Glockengießerei von Varniai gegossen wurde. Die für die Kathedrale bestimmte Glocke trägt das Relief des Wappens des niederlitauischen Bischofs Steponas Giedraitis. Leider hat sich zu Zeiten von Bischof Motiejus Valančius an der Glocke ein Riss gebildet, und so wurde sie 1913 in der Fabrik von A.S. Lavrov in Gattschina (Russland) umgegossen. Auf die neugegossene Glocke wurden die Inschrift und das Wappen von S. Giedraitis übertragen. Es reicht nicht, sich nur den authentischen Klang der Glocke anzuhören – man muss sie auch betrachten, denn … die Glocken weinen. Warum weinen die alten Glocken? Man sagt, dass die Glocken vor dem Regen nass werden und somit die Menschen warnen, dass bald der Regen kommt.   

Das Ensemble wird durch einen weiteren Akzent ergänzt – die im Kirchhof stehende Lourdesgrotte, die 1914 dank Priester A. Juozapavičius errichtet wurde. In der Lourdesgrotte steht die aus Frankreich stammende Skulptur der Jungfrau Maria. 

Die Kirche hat drei Schiffe. Das zentrale Schiff ist höher und breiter als die Seitenschiffe und hat ein Zylindergewölbe. Das zentrale Schiff ist durch massive Säulen von den Seitenschiffen getrennt.    

Das Innere der Kirche ist reich an barocken Formen: kleine Interieur-Elemente, goldene Details, massive Gewölbe, Säulen. Ganze zwölf verzierte Altäre gibt es in der Kirche, den größte davon schuf ein Meister aus Königsberg 1694. Der wunderschöne große Altar wurde einmal restauriert. Am oberen Teil des Altars hängt die Skulptur des Gekreuzigten, darunter – das vergoldete und versilberte mit einem geschnitztem Holzkranz geschmückte Hierogramm der zwischen Engeln eingesetzten Maria. Ein mit Silberblech aus Brüssel bedecktes Tabernakel schmückt den Zentralaltar.  

Links von dem großen Altar an der Wand steht ein Stuhl – ein Bischofsthron aus den Zeiten von Motiejus Valančius. Beim seinem Ausziehen hat er den Stuhl als Zeichen der Erinnerung absichtlich in Varniai zurückgelassen.

Auf der linken Seite der Kirche befindet sich eine Kapelle mit dem Altar des Hl. Kasimir und dem Altar mit dem Bild der Hl. Maria Magdalena. 

Es ist unmöglich, an dem berühmten Altar mit der Kopie des Gemäldes der Gottesmutter von Trakai aus dem 17. Jh. vorbeizugehen. Die Serie von Altären ist auch durch den neuesten Gedenkaltar mit dem Metallkunstwerk „Taufe der Niederlitauer“ von Petras Repšys berühmt.

Im Inneren der Kirche muss man den Blick nach oben richten und die besondere Orgel der Hl. Peter und Paul von Varniai (1821) betrachten. Sie ist eine Kombination aus Klassizismus und Barock. Die Orgel in der ehemaligen Kathedrale von Varniai wurde 1821 vom niederlitauischen Orgelmeister Jozef Woyciullewicz gebaut. Der obere Teil der Orgel rägt das Wappen der litauischen Fürstendynastie Giedraičiai. Im Innern der Orgel steht mit einem roten Bleistift auf Polnisch: ,,Ru 1821 Zbudowany“ (dt. „1821 erbaut“).

In der Historiografie übrigens wird auch ein früheres Datum des Orgelbaus erwähnt – 1817, von demselben Meister Jozef Woyciullewicz. 

Der Orgelmeister hat für den Orgelbau teilweise gebrauchte Rohre verwendet. Die Orgel mit sechzehn Registern hatte drei Keilbalge. 1871 wurde die alte Orgel vom Meister Pranciškus Sideravičius vollständig umgebaut. Dabei wurde der alte Blasebalg durch einen neuen ersetzt; 1893 wurde die Orgel von Meister Breyer repariert, 1902 von Meister N. Ventas, 1960 von einem unbekannten Meister.

Der Orgelprospekt ist klassizistisch, die Disposition des Instrumentes jedoch barock. Die architektonische Komposition des aus drei Türmen bestehenden Prospektes ist mit geometrisch geformten Elementen und Schnitzereien dekoriert. Der obere Teil des Zentralturmes trägt das Wappen es niederlitauischen Bischofs Juozapas Arnulfas Giedraitis. Ähnliche Orgelprospekte mit klassizistischem Stil sind in den Kirchen von Šakyna und Luch (Belarus) zu finden. 

Die letzten zwanzig Jahre des 20. Jh. blieb die Orgel stumm, wurde von Holzwürmern beschädigt. 2007 wurde der Orgelprospekt durch die Werkstatt von Stanislovas Stanionis restauriert. 2007-2011 wurde die Orgel durch die Werkstatte des Orgelmeisters Laimutis Pikutis in Ordnung gebracht.   

Es wird angenommen, dass in der Kirche 10 Bischöfe Niederlitauens, unter ihnen auch der Initiator der Kathedrale – Bischof Kazimieras Pacas – begraben sind. Im Keller unter der Kirche befindet sich die Krypta der niederlitauischen Bischöfe. Hier wurden bis zum 19. Jh. die Bischöfe Niederlitauens beigesetzt. In der Mitte der Krypta, auf einem niedrigeren Katafalk, sind mit Glas bedeckte Särge aufgestellt, in denen die balsamierten Überreste (Mumien) der niederlitauischen Bischöfe Juozapas Arnulfas Giedraitis (1838) und Simonas Mykolas Giedraitis (1844) liegen, ebenso die posthume Maske von Jurgis Giedraitis (2000).

Die Kirche ist durch besondere Traditionen bekannt, die bis heute gepflegt werden. Es wird empfohlen, sie zu Ostern zu besuchen, wenn die Trommeln erklingen und die Besucher zur Prozession einladen. Die Kirche der Hl. Apostel Peter und Paul von Varniai gehört zur Kulturroute der Diözese Niederlitauen.