Das Landgut Raudondvaris ist ein Denkmal aus den Renaissance-Architektur des 17. Jh. Das Landhaus befindet sich am Zusammenfluss von Nevėžis und Memel, auf der oberen Terrasse des rechten Nevėžis-Ufers, 9 km von Kaunas in Richtung Jurbarkas entfernt. Das Hauptgebäude des Landhauskomplexes ist der Palast mit Turm. Der Palast bildet mit den zwei Offizingebäuden, dem Wintergarten, den Pferdeställen und dem Eishaus in der 3,8 ha großen Parkanlage ein einheitliches Ensemble.

Beschreibung

Während einer Botsfahrt auf der Memel oder dem Nevėžis sieht man am rechten Ufer des Nevėžis von weitem die weißen Kirchentürme, ein Städtchen und ein Park, in dem sich der rotfarbige Palast hinter Bäumen versteckt. Der Ort heißt Raudondvaris und liegt zu beiden Seiten der Straße Kaunas–Jurbarkas. Als Residenz der Adligen ist das Landgut seit 1615 bekannt. Ethnographisch ist der Platz von besonderer Bedeutung, weil seit alten Zeiten der Fluß Nevėžis als Grenze zwischen den Oberlitauen (Aukštaitija) und Niederlitauen (Žemaitija bzw.Samogitia) galt, wo Pferd und Bär auf einander treffen.

Das Entstehen des Landgutes an diesem Ort wird mit der Ausbreitung des Deutschen Ordens nach Niederlitauen in Verbindung gebracht. Die Kreuzritter haben hier bereits 1392 eine Burg gebaut, die ihre Verteidigungsfunktion nach der Schlacht bei Tannenberg 1410 verlor, als Samogitia an Litauen zurückgegeben und die Grenze zum Orden nach Westen verlegt wurde. Seitdem ist Raudondvaris als Landgut des Großfürsten bekannt. 1572 hat der polnische König und der Großfürst Litauens Sigismund Augustus dem Kämmerer Vaitiekus Dziavaltauskas das Privileg gewährt, an diesem Ort eine Burg zu bauen. Ein Kämmerer war ein Beamter des Großfürstentums Litauen im 16.-17. Jh. und dafür zuständig, die Verteilung der vererbten Grundstücke zu kontrollieren und in Angelegenheiten zu Grund und Boden zu verhandeln. So errichtete V. Dzievaltauskas auf der oberen Terrasse des Nevėžis ein burgähnliches Landgut aus rotem Backstein. Man bezeichnete das Haus zwar als Burg, da es Türme und Schießscharten besaß, jedoch konnte das Gebäude keine Verteidigungsfunktion erfüllen. Später wurde das Haus vom Sohn des Kämmerers übernommen und verwaltet. 

Ab dem 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg gehörte das Landgut der Familie der Grafen Tiškevičiai. Es wird angenommen, dass der Graf Tiškevičius das Landgut 1816 von der Familie Zabielai gekauft hat. Später wurde es als Hochzeitsgeschenk an seinen Sohn Benediktas Tiškevičius (1801-1866) übertragen. Die Familie Tiškevičiai ist eine alte, sehr bekannte und respektable Adelsfamilie, die aus den östlichen russischen Landen des Großfürstentums Litauen stammt. Die ersten Familienvertreter waren orthodox. Nach der Kirchenunion von Brest 1597 wurden sie Uniten, und Anfang des 17. Jahrhunderts nahmen die meisten Tiškevičiai den katholischen Glauben an. 

Graf Mykolas Tiškevičius (1761-1839) aus Waloschyn, Kommandeur des 17. litauischen Ulanen-Regiments der Armee Napoleon Bonapartes, war der erste Vertreter der Familie Tiškevičiai, der das Landgut Raudondvaris als Eigentum besaß. Das Ensemble bestand damals aus dem Palast im Stil der Renaissance, den nördlichen und südlichen Offizingebäuden, dem im klassizistischen und neogotischen Stil 1837-1839 erbauten Wintergarten. 2010-2013 wurden das Dienerhaus, der Pferdestall, das Hausmeistergebäude, die Nord- und Südscheune, das Eishaus und die Parkanlage restauriert. 

Der Graf selbst hat viele Exponate von seinen Weltreisen in die Residenz mitgebracht. Manche Schätze müssten die damaligen Einwohner von Raudondvaris sehr überrascht haben. Zum Beispiel die aus China eingeführten Mandarinensämlinge, die der Grad beschlossen, hier auf dem Landgut anzupflanzen. Wegen der frostigen Winter und der hohen Heizkosten war dies eine echte Herausforderung. Um dieses Problem zu lösen, beschloss der Graf, eine moderne Orangerie einzurichten, in der die exotischen Pflanzen im Winter mit der nötigen Wärme versorgt wurden. Im Sommer, so sagt man, habe der Graf die Mandarinenbäume in ihren Töpfen ins Freie gebracht, um die Zitruspflanzen den einfachen Sterblichen zu demonstrieren…

Nach dem Brand von 1831, bei dem die Holzbauten Landgutes den Flammen zum Opfer fielen, baute Graf Benediktas Emanuelis Tiškevičius ein neues Ensemble aus Mauerwerk auf. Während der Verwaltungszeiten der Tiškevičiai entwickelte sich die Burg zu einer prachtvollen Residenz, die eine große Kollektion von Gemälden, Kunstwerken, seltenen Bücher sowie der exotischen Pflanzen und Tieren gesammelt beherbergte. Während der Ersten Weltkrieges (1915) wurden alle Schätze der Residenz nach Polen verbracht und die Burg selbst wurde verwüstet. Die Räumlichkeiten der Residenz wurden zum Hauptquartier der deutschen Besatzungsmacht. Dort in der Presseabteilung arbeitete damals der Schriftsteller Arnold Zweig gearbeitet, der in seinem Roman „Einsetzung eines Königs“ (1937) die prachtvollen Räumlichkeiten des Palastes und die Bibliothek von Raudondvaris beschrieben hat. Das Landgut Raudondvaris, wie auch die vielen anderen Landgüter, wurde von den sich zurückziehenden Deutschen beraubt…

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ist die Familie Tiškevičiai nicht mehr nach Raudondvaris zurückgekehrt, auch wenn das Landgut immer noch der Familie gehörte. Sie blieben im Ausland. Während der Landreform reduzierte Litauen die Größe ihres Grundbesitzes erheblich – von einigen Tausend Hektar sind dem Landgut nur noch 40 ha geblieben. Dies war für die Tiškevičiai wahrscheinlich der Grund, nicht mehr in das Heimatland zurückzukehren.

1927-1942 wurde das Landhaus als Kinderheim des Ausschusses der Frauenfürsorge Litauens genutzt. 

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Landgut noch stärker beschädigt, die sich zurückziehenden Deutschen haben das Gebäude beinahe zum Einsturz gebracht und es anschließend in Brand gesetzt (1944). 

Im Jahre 1957, während der Sowjetzeit, zog das litauische Institut für Landwirtschaftliche Mechanisierung und Elektrifizierung in die Räumlichkeiten des Landgutes ein. Die Leitung des Institutes sorgte für den Wiederaufbau der Burg. 

1962-1967 wurde die Restaurierung durchgeführt: der Wintergarten, der Pferdestall und die Hilfsbauten wurden wiederaufgebaut. Den roten Backsteinpalast mit rechteckigem Grundriss zierte wie zuvor ein runder Turm, dieses Mal jedoch mit einem Spitzdach. 

Die rote Backsteinfarbe hab auch der ganzen Siedlung ihren Namen, denn auf Litauisch bedeutet Raudondvaris „rotes Landgut“. Der Palast wird als Burg betrachtet (hat einen Turm, Schießscharten), erfüllte jedoch keine Verteidigungsfunktion, und die damaligen Kanonen hätten es mit ihren Wänden problemlos aufnehmen können. Es handelte sich um ein repräsentatives Herrenhaus.

Im erhaltenen Ensemble gibt es auch andere aus architektonischer Sicht interessante Bauten. Beide Offizingebäude wurden streng symmetrisch gebaut und mit spitzbögigen Fenstern versehen. Beeindruckend sind die U-förmigen Pferdeställe im englischen neogotischen Stil, die aus drei Bereichen bestehen: dem Stall, der Manege und dem Wagenschuppen. Das Gebäude selbst wurde reichlich mit profilierten Ziegeln dekoriert, die Wände weisen Nischen mit Pferdeköpfen auf. Das von den Tiškevičiai errichtete Tor ist ebenfalls erhalten. 

Unweit des Landgutes entstand 1834 ein Park, der im 20. Jh. rekonstruiert wurde. Die Grünflächen und Blumengärten wurden erneuert, besondere Aufmerksamkeit widmete man den alten Rosensorten. Die Nordseite des Parke geht in den Wald über. 

Im Gestüt von Raudondvaris wurde ein Kunstinkubator geöffnet. Dort finden ständig verschiedene Ausstellungen und Bildungsprogramme statt. In den Räumlichkeiten des Gestüts gibt es einen mobilen Konzert- und Theatersaal mit 500 Sitzplätzen. Auf dem Landgut befindet sich auch das Museum des Bezirks Kaunas, das Tourismus- und Geschäftsinformationszentrum. Empfehlenswert ist die Besichtigung des einzigartigen Glaszimmers und des weißen Saals. In der Parkanlage von Raudondvaris finden Kulturveranstaltungen und Festivals statt, die bereits Traditionscharakter haben. Jedes Jahr am 6. Juli wird hier der Tag des Staates begangen, im September findet hier das Bauernfest „Rudens sambariai“ statt, und im Winter erstrahlt hier der Weihnachtsbaum des Bezirks Kaunas.