Das Rathaus von Kaunas ähnelt einem Schwan, der mit seinem langen, weißen Hals zum Himmel strebt. Genau so wird das bedeutendste Prachtstück der Altstadt Kaunas von den meisten wahrgenommen. Das Rathaus wird zum unvergesslichen Treffpunkt der Einwohner und Gäste von Kaunas. Das Gebäude unterscheidet sich von anderen Bauten durch seine helle Fassade, durch die einzigartige Kombination der Architektur der Gotik, des Barocks und des Frühklassizismus.

Beschreibung

Wegen seiner hohen weißen Gestalt und des graziösen Turmes wird das Rathaus im Volksmund „Weißer Schwan“ genannt. Bewunderungswert ist seine Farbe, die weißes Elfenbein erinnert. Die Gründung des Rathauses geht auf das Jahr 1542 zurück. Es befindet sich in der Nähe des Zusammenflusses von Memel und Neris. Die Hauptfassade ist nach Osten gewandt. Um das Rathaus herum entstand später der Rathausplatz mit der Kirche des Hl. Franziskus Xaver (Jesuiten), dem Familienhaus Zabielai, dem Sirutis-Palast, dem Gebäudekomplex der Pferdepost, dem Rektoratshaus des Priesterseminars und die Dreifaltigkeitskirche Kaunas.

Es wird angenommen, dass das Rathausgebäude 1562 einstöckig gebaut wurde, ohne Turm und gotische Elemente. Später wurde sie umgebaut, die Fläche wurde vergrößert. Der 53 Meter hohe Rathausturm ist der höchste Turm in der Altstadt von Kaunas. Das heutige Rathaus hat einen rechteckigen Grundriss, ist zweistöckig, hat ein hohes Mansarddach und einen sechsstöckigen Turm. Das Dekor desim Stil der Renaissance geplanten Gebäudes blieb gotisch.

Sowohl die Architektur, als auch die Funktion des Rathauses hat sich mehrmals verändert: Im Erdgeschoß befanden sich Geschäftsräume, im zweiten Stock die Räume des Magisters und des Verwaltungsrates, und im Untergeschoß gab es ein Gefängnis, in dem Straffällige auf ihre Verurteilung warteten. Mit dem Bau des Rathauses wurde 1542 nach dem Entwurf von B.Choinauskas begonnen. Es wird angenommen, dass das Rathaus 1562 einstöckig war, ohne Turm, jedoch mit gewölbten Kellerräumen. Die Fassade war nicht verputzt. In der zweiten Hälfte des 16. Jh. wurden das zweite Stockwerk und der achtstöckige Turm hinzugefügt. 

1771-1780 wurde das Rathaus nach dem Entwurf des Architekten Jonas Matekeris erneut rekonstruiert: Das Gebäude wurde erhöht, neue Gesimse gebaut, der gotische Turm in fünf Abschnitte aufgeteilt, das Innere umgeplant.

1824 wurde das Rathaus in eine russisch-orthodoxe Kirche umgewandelt, später beherbergte es ein Munitionslager. 1838 wurde das Rathaus zur vorübergehenden Residenz des Zaren. Damals hat das Gebäude neben den gotischen und barocken Elementen noch klassizistische Züge bekommen.

1850 wurde im Turm die Feuerwehrwache eingerichtet. 1865-1869 wurde im Rathaus das Theater untergebracht, 1869-1944 war es Sitz der Stadtverwaltung Kaunas, nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich dort die Abteilung Kaunas des Zentralstaatsarchivs. 1951-1960 wurde das Gebäude an die Fakultät für Bauwesen des Polytechnischen Institutes Kaunas übergeben.

Im Mai 1967 wurde der Entwurf für die Restaurierung des Rathauses und seine Anpassung zur Beherbergung des Standesamts vorgestellt.

1968-1967 wurde das Gebäude nach dem Entwurf des Architekten Žibartas Simanavičius restauriert. Ab 1974 wurden die Räumlichkeiten im Erdgeschoß und im zweiten Stock für das Standesamt angepasst, und im Untergeschoß zog das Keramikmuseum ein.

Bevor man das Rathaus betritt, sieht man rechts einen authentischen Wachsschmelzofen aus dem 15. Jahrhundert. Der Ofen deutet davon, dass an diesem Ort über Jahre hinweg viele talentierten Handwerker gearbeitet und Tausende einzigartiger Werke geschaffen haben. Früher gab es auf dem Rathausplatz sogar acht Öfen dieser Art. Der Ofen erinnert auch an die bedeutsame Zeit, als der Rathausplatz ein Wegabschnitt der Hanse war.  

Kaunas ist die einzige Stadt Litauens, die direkt der Hansa im Zusammenhang steht. Während der Regierungszeit von Kazimieras Jogailaitis und auch danach (1440-1536) wurden in Kaunas das hanseatische Handelskontor und Lagerhäuser betrieben. Die so genannten „hanseatischen Lagerhäuser“ wurden zum historischen Symbol dieser politischen und wirtschaftlichen Vereinigung. Die Lagerhäuser stehen an den Ecken der Muziejaus- und Santakos-Straße, zu beiden Seiten der Muziejaus-Straße. Einst wurde eine Fülle von Gütern am Rathausplatz produziert und dank der Hanse europaweit vertrieben. Heute werden zum Gedenken an die wichtige Rolle der Hanse in Kaunas auf dem Rathausplatz jährlich die Hansetage veranstaltet, bei denen sich Kultur, Musik, Kunst, Handel und Handwerk vereinigen. 

Heute befindet sich im Rathaus das Stadtmuseum von Kaunas, das nicht nur die Geschichte von Kaunas erzählt, sondern auch die mehr oder weniger berühmten Legenden, die unsere Vorfahren auf dem Platz oder zu Hause erlebt, gehört oder gesehen haben. Einst in der Vergangenheit ist es den Litauern gelungen, während einer Jagd den König des Waldes – einen Auerochsen – am Zusammenfluss der Neris, der Mutter der Flüsse, und des Nemunas (Memel), des Vaters der Flüsse, in das Dickicht zu locken (genau wo heute Kaunas liegt).  

Auf diesem Ort wurde das Tier mit einem Speer getötet. Schnell bemerkte man jedoch, dass zwischen den dicken Hörnern des erlegten Tieres ein Kreuz aus gekreuzten Ästen emporragte. Aus Angst vor dem Zorn der Götter beschlossen die Litauer, den Auerochsen zu opfern. Sie entfachten ein großes Feuer aus Eichenholz und verbrannten den König des Waldes darauf in der Nacht zu Ehren der Götter.

Eine andere Legende erzählt, dass Kaunas von den römischen Patriziern gegründet wurde, die vor Kaiser Nero wegen seiner Tyrannei geflüchtet waren. Laut Albertas Vijūkas–Kojelavičius ruderte der römische Fürst Palemonas mit seinen Söhnen auf der Memel und erreichte das Gebiet von Kaunas, wo damals ein einfaches Dorf mit einigen Hütten lag. Sein Sohn Kūnas (der Fürst Kaunas), in anderen schriftlichen Quellen noch Kūnasijus oder Kūnarijus genannt, gründete an diesem Ort eine Stadt. Laut der Fortsetzung der Legende starb der Gründer von Kaunas im Kampf gegen die Kiewer Rus, als er vom Fürsten Mstislaw in Gefangenschaft genommen wurde.  

Die Authentizität im Innern des Rathauses wurde erhalten. Es ist ziemlich reich verziert, die meisten Formen sind bogenartig, viel Glanz in Dekorelementen, rote Teppiche. Dort befinden sich auch viele Gemälde, die die wichtigsten historischen Ereignisse auf dem Rathausplatz und die damaligen wichtigsten Persönlichkeiten vorstellen. 

Die Treppe innerhalb des Rathausturmes führt zur historischen Glockenuhr, deren Geschichte auf die 70er-Jahre des 18. Jh. zurückgeht, als auf Befehl des damaligen Bürgermeisters Henrik Essen für den erneuerten Turm eine Uhr mit Glocken hergestellt werden sollte. 1907 hat man sie durch eine neue in St. Petersburg hergestellte Uhr ersetzt. Es wird angenommen, dass die Mechanismen der Uhr später in das Polytechnische Museum von Moskau gebracht wurden und die historische Uhr durch eine elektromechanische ersetzt wurde. Die letzte Reparatur wurde in 2016 durchgeführt, jedoch begannen die Mechanismen der nun durch ein Computersystem gesteuerten Uhr zu verklemmen. Die Uhr musste daraufhin stets manuell eingestellt werden, was nicht selten zu Ungenauigkeiten führte. Dank der neuen technologischen Lösung aus Deutschland funktioniert die Uhr heute einwandfrei, und die Glocke, die von einem 2 kg schweren Hammer geschlagen wird, verkündet den Bewohnern und Gästen der Stadt die Kunde von der laufenden Zeit.  

Oben sieht man auch die authentischen Schornsteine, Balken, und von der Aussichtsplattform offenbart sich das Panorama der Altstadt: Ziegeldächer, authentische Häuser rings um den Rathausplatz. Ein Besuch des Rathausturms lohnt sich auch besonders in der Zeit vor Feiertagen.