„Ein geheimnissvoller Ort“ –so wird das Ensemble des Kamandulenserklosters Pažaislis beschrieben. Die Geschichte des am nordwestlichen Ufer des Kaunasser Haffs angelegten Klosters ist außergewöhnlich. Zuerst lebten in diesem Kloster Einsiedler – Kamandulenser-Mönche, die ein Schweigegelübde abgelegt hatten und in ihren Zellen in Särgen mit Ziegeln unter dem Kopf schliefen. Heutzutage gilt der Ort als Niederlassung der Kongregation der Schwester des Heiligen Kasimir.

Beschreibung

Das Kamandulenser-Kloster Pažaislis war das erste Kloster des Kamaldulenser-Ordens im Großfürstentum Litauen und das vierte in der polnisch-litauischen Republik (Rzeczpospolita). Im Jahre 1664 fand die feierliche Gründung des Klosters und die offizielle Unterzeichnung des Akts statt. Der Kanzler des Großfürstentums Litauen Krzysztof Zygmunt Pac finanzierte die Kamandulser. Seine Idee wurde von geladenen Künstlern aus Italien umgesetzt: vom Baumeister Giovanni Battista Frediani, ab 1674 von den Brüdern Pietro und Carlo Puttini, Michelangelo Palloni, den Bildhauern Giovanni Merli und Nicolaus Wolscheid, dem Maler Giuseppe Rossi. 1712 wurde das Kloster fertig gestellt. Die Südoffizin entstand später, im 17.–18. Jahrhundert.

Das 19. Jahrhundert war dem Kloster unbarmherzig gesonnen. Im Jahre 1812 wurde es von den sich aus Russland zurückziehenden Truppen Napoleons geplündert. Nach dem Aufstand von 1831 ließ Zar Nikolaus I das Kloster schließen, die Kamandulenser wurden ins Exil geschickt, das Eigentum beschlagnahmt. Einige Jahre später (1840) wurde das Kloster der russisch-orthodoxen Kirche übergeben. Die orthodoxen Mönche begannen mit der Umgestaltung des Inneren des Klosters zur orthodoxen Kirche. Damals wurde die ganze Inneneinrichtung des Ensembles vernichtet und ausgetauscht. Zwei Jahre später wurde das orthodoxe Kloster Mariä Himmelfahrt offiziell eröffnet. Im Jahre 1915 haben die Orthodoxen auf der Flucht nach Russland einen großen Teil der Kunstschätze und das ganze Archiv mitgenommen. Einige Jahre später (1917-1918) richteten die Streitkräfte des Deutschen Kaiserreiches im Kloster ein Lazarett ein und verwüsteten dieses Ensemble endgültig. 

Die Stille wurde 1920 unterbrochen, als die Gründerin der Kongregation der Schwester des Heiligen Kasimir, Mutter Marija Kaupaitė, mit vier ihrer Nonnen aus den USA nach Pažaislis kam und das Kloster des Heiligen Kasimir eröffnete. Die Schwestern der Kongregation kümmerten sich sorgfältig um das Kloster.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren hier das Zentralarchiv der Republik, ein Pflegeheim, ein psychoneurologisches Krankenhaus und eine Unterkunft für Touristen untergebracht. 1967-1991 war das Kloster Pažaislis dem Staatlichen M.K.Čiurlionis-Kunstmuseum in Kaunas unterstellt. Um diese Zeit wurden Forschungs- und Restaurierungsarbeiten durchgeführt. 1992 wurden die Bauten den Schwestern der Kongregation des Hl. Kasimir zurückgegeben. 

Über das Kaunasser Haff und die Bäume der Halbinsel erstrecken sich die Gestalt der Kirche der Heimsuchung der Jungfrau Maria, ihre sechseckige 53 m weite Kuppel und zwei 32 m hohe Türme, niedrigere Bauten in Osten, über die Sakristei in der südöstlichen Ecke ein Glockenturm – all das ist aus weiter Ferne von der Haffseite und auch von den Flusshängen der Neris zu sehen. Heute zählt das Gebäude des Kamandulenser-Klosters Pažaislis zu den schönsten Meisterwerken des reifen Barocks in Nord-und Osteuropa. Die Komposition des Klosters ist monolitisch und logisch, zeichnet sich durch die feine Harmonie mit der Natur aus. Die 2,5 m hohe, mit Tondachziegeln bedeckte Mauer trennt den Wald von den Klostergärten. Die Komposition der Räume des Ensembles ist typisch für den Barock: Der Eindruck verstärkt sich wenn man von außen in Richtung Mitte geht. Der Höhepunkt der emotionellen Spannung ist erreicht, wenn man vom großen Tor die Lindenallee entlang geht, die sich verbreitert und zu einem ovalen Platz vor dem Gästehaus wird. 

Unerwartet taucht ein geräumiger Innenhof auf, mit einem Blick auf die majestätische Hauptfassade der Kirche und den symmetrisch geplanten Klosterbauten, in denen es Gemeinschaftszimmer und Wohnräume der Nonnen gab. Im Kirchhof, dem Eingang gegenüber, stehen unter den Linden zwei Brunnen. Es wird angenommen, dass sie Ende des 17. Jh. errichtet, 1836 aber ohne bekannten Grund zugegraben und schließlich 1983 abermals gesäubert und restauriert worden sind. Die Wände der Brunnen sind aus Feldstein gemauert. Die oberen Teile sind aus Sandstein, der mit feinen Metallkronen verziert sind und nach einem selten zu finden authentischen Muster restauriert wurde. 

Alle Komponente des Ensembles sind auf eine Weise gruppiert, dass die ganze Aufmerksamkeit auf eine einzige und wichtigste Dominante gerichtet ist – auf die Kirche, die eine komplizierte Volumenkomposition des Volumens besitzt. Die Kirche ist im Stil des Barocks nach dem lateinischen Kreuz geplant, hat eine sechseckige Kuppel, welche die mit einer Laterne und einem Kreuz endet. Auf der Fassade im Süden gibt es eine Sonnenuhr. Der Plan der Ensembles erinnert an das Wappen der Kamandulenser – zwei Tauben, die aus demselben Becher trinken.  

In verschiedenen Bauten des Ensembles sind etwa 140 Fresken verschiedener Größe erhalten geblieben. Die Räumlichkeiten der Sakristei und das Kapitel sind mit feinen und dekorativen Holzschnitzereien verziert. Das Innere der Kirche ist mit Stuckleisten und buntem Marmor dekoriert.

Im Flur des Klosters Pažaislis in der Nähe der Sakristei hängt der hagiografische Zyklus der elf Gemälde des Heiligen Brun von Querfurt. Es ist vermutlich das einzige Kunstwerk, welches so ausführlich das erste Vollziehen der Taufe Litauens im Jahre 1009 darstellt und damit die erstmalige Erwähnung des Namens Litauen 1009 in den Quedlinburger Annalen bezeugt.

Es gibt nicht viele Barockkirchen, in denen sich der Blick auf den sechseckigen Zentralbau bietet. In Pažaislis ist das der Fall, wobei die vier Kapellen, der Altarraum und der Eingang den Bau umkränzen und optisch erweitern. Das von der Kuppel strahlende Licht erschließt die wundervolle Aussicht auf die Innenausstattung mit dem roten und schwarzen Marmor in Kombination mit bunten Fresken und weißen Stuckarbeiten. 

Die Kuppel des Klosters von Pažaislis zierte das Fresko “Krönung der Heiligen Jungfrau Maria“. Der Kuppeltrommelraum ist durch mehrere Kreise und Kränze geteilt. Das Fresko ist von oben nach unten von drei dicken Hauptbändern (Kreisen) umgeben, in denen zuerst die Engel der höchsten Hierarchie dargestellt sind, darunter die Engel, die Musik spielen, und ganz unten – die heiligen Märtyrer und Beichtväter. Die Komposition der Krönung der Heiligen Jungfrau Maria im Himmel ist über dem unteren Kreis der Heiligen gemalt.  

Es wird behauptet, dass Gott die Engel für seinen eigenen Dienst und für den Dienst an den Menschen geschaffen und diese körperlosen Geister ihrer Hierarchie und Funktion gemäß am höchsten unter allen Schöpfungen Gottes platziert hat. Daher werden die Engel der höchsten Chöre fast nie allein dargestellt. Der Sinn ihrer Existenz besteht darin, den Gottesthron zu umgeben.

Der heilige Thomas von Aquin behauptete, dass die Engel Verstand aber keinen Körper besitzen.

Da sich der Verstand im Kopf befindet, begann man im Mittelalter, die Engel ohne Körper darzustellen – nur Köpfchen mit Flügeln. Also sind am höchsten Punkt der Kuppel um die Basis einer sechseckigen Lampe weitläufig im Kreis zerstreute Engelköpfe mit sechs Flügeln abgebildet. 

Ein wenig niedriger sieht man unzählige Gruppen von Engeln – Cherubinen, die den himmlischen Chor bilden. Cherubinen werden mit lockigem Haar, rundlichen Gesichtern und unterschiedlicher Mimik gemalt. Manchmal wurden die Köpfchen mit zwei oder vier Flügel, ab und zu m nackten und babyähnlichen Körpern dargestellt. 

Musizierende Engel. Tatsächlich spielt das Orchester der himmlischen Geister verschiedene Streichinstrumente, auch Trompeten und ähnliche Blasinstrumente wie Flöten und Pfeifen und auch Trommeln kommen zum Einsatz. 

Heilige Märtyrer und Beichtväter. Am unteren Teil der Kuppel sind 64 heilige Männer und Frauen gemalt, die im dritten Kreis stehend oder kniend auf Kugelwolken in verschiedenen Posen dargestellt sind.

Das Ensemble des Kamandulenser-Klosters Pažaislis ist an allen Wochentagen für Besucher geöffnet, außer Montag – am Tag der Stille. Es ist auch wichtig zu wissen, dass eine bestimmte Woche im Jahr auch als Woche der Stille gilt. Das Ensemble ist in dieser Woche für Besucher und Führungen geschlossen. Die Liebhaber klassischer Musik werden jedes Jahr seit 1995 von Juni bis September sehr herzlich zum Pažaislis-Musikfestival eingeladen.